Ein Kommentar von Claudia Flöer (Programmleitung Pflege Buch bei der Schlüterschen) und Kirsten Gaede (Chefredakteurin pflegen-online)
Eine junge Krankenpflegeschülerin, gerade einmal 17, bemerkte neulich, es sei doch ziemlich ungerecht, dass Raucher ganz selbstverständlich Zigarettenpausen machten. Für Nichtraucher wie sie sei es unvorstellbar, fünf Minuten die Station zu verlassen mit den Worten: „Ich brauche eine kurze Pause, ich schnappe ein wenig Luft.“ Die Kollegen würden sie für eigenartig, schlimmstenfalls für faul halten.
Diese Ungerechtigkeit besteht (branchenübergreifend) seit Jahrzehnten, fast jeder werktätige Nichtraucher ärgert sich darüber. Tatsächlich ist die Benachteiligung der Nichtraucher so augenfällig, dass sich die Frage stellt, warum Klinik- und Heimträger sie schulterzuckend hinnehmen. Aus Ratlosigkeit? Der Verdacht liegt nahe.
Rauchen im Dienstzimmer? Ja, das gab es
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Sicherlich, der Nichtraucherschutz ist in Heimen und Krankenhäusern – wie in anderen Betrieben auch – seit den 90er-Jahren enorm fortgeschritten: Rauchen während der Übergabe, Qualmen im Pausenraum oder gar im Dienstzimmer (ja, das gab es tatsächlich!) ist heute tabu. Viele Krankenhaus- und Heimträger bieten ihren Mitarbeitern im Zuge des Betrieblichen Gesundheitsmanagements inzwischen sogar kostenlose Rauchstopp-Programme an …
Die Sache mit dem sekundären Suchtgewinn
… und wundern sich, dass diese nur wenig Zulauf erfahren. Wie naiv! Wer raucht, erfährt in der jetzigen Situation einen sekundären Suchtgewinn. Denn angenehm ist nicht nur der Nikotinkick: Entspannend ist auch, sich für kurze Zeit der Stationshektik zu entziehen, mit Kollegen vor der Tür ein wenig schwatzen oder einfach vor sich hinträumen zu können.
Raucher genießen eine regellose, fast anarchische Auszeit
Wer sich vornimmt, mit dem Rauchen aufzuhören, muss also gegen Zweierlei ankämpfen: Gegen seine Nikotinabhängigkeit und gegen seine Gewöhnung an die Annehmlichkeiten einer regellosen, fast anarchischen Auszeit. Schließlich gibt es in den wenigsten Krankenhäusern Stechuhren, auch ist es eher ungewöhnlich, dass Raucher ihre Extra-Pausen ausgleichen und länger bleiben als die Nichtraucher.
Jährlich 35 Stunden Rauchpause pro Kopf
Dieser lässige Umgang mit Raucherpausen ist rätselhaft: Schließlich findet er unter dem Dach oft knallhart kalkulierender Träger statt. Fällt diesen nicht auf, dass durch die kleinen Pausen pro rauchendem Mitarbeiter jährlich mindestens 35 Arbeitsstunden verglimmen? (Man muss für diese Berechnung tatsächlich nur 10 Minuten Raucherpause täglich und rund 42 Arbeitswochen zugrunde legen.) Helios, der größte Klinikkonzern in Deutschland, scheint immerhin eine dunkle Ahnung von den Ausmaßen zu haben: Hier erhalten Nichtraucher pro Jahr einen extra Urlaubstag.
Schlechte Pauseregelungen treiben Pflegekräfte zum Rauchen
Aber Stopp: Dies soll kein Plädoyer für mehr Kontrolle werden. Aus Erhebungen des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) wissen wir, dass es in vielen Krankenhäusern und Heimen keine zuverlässigen Pausen gibt. Dies scheint ein wesentlicher Grund, weshalb es Raucher in der Pflege besonders schwierig finden, mit dem Rauchen aufzuhören. Und, weshalb sie manchmal überhaupt erst anfangen zu rauchen.
Kleine Pausen fördern die Effizienz
Besser ist, auch den Nichtrauchern die Möglichkeit zu geben, für fünf Minuten für eine Auszeit die Station zu verlassen. Die Arbeitgeber fördern dadurch ihre Attraktivität und demonstrieren Vertrauen (was ebenfalls ihre Attraktivität befeuert). Und warum auch sollten sie es nicht wagen? Schließlich vertrauen die Leitungen auch den Rauchern. Nichtraucher würden ebenso wie Raucher spüren, wann die Situation passend ist und wann nicht. Ebenso wie die Raucher würden sie es mit der Frequenz der kleinen Pausen nicht übertreiben. Sie würden außerdem, erfrischt durch die Auszeit (anders als die Raucher!) konzentrierter und kraftvoller arbeiten.
Atempause und Apfelpause: eine ideale Rauchstopp-Kampagne
Auch wäre die neue Apfelpause oder Atempause eine wunderbare Rauchstopp-Kampagne: Vielen Rauchern würde es leichter fallen, mit dem Rauchen aufzuhören: Hätten sie doch Gewissheit, dass ihnen die geliebte Fünf-Minutenpause bliebe. Und das Schönste: Es erhöhten sich die Chancen, dass junge Pflegeschüler gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen.
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