Rolf-Werner Kohn, 70, hat die Kranken- und Altenpflege von der Pike auf kennengelernt. Zunächst war er als OP-Fachhelfer mehrere Jahre im Krankenhaus, dann hat er sich über verschiedene Stationen und Fortbildungen in der Altenpflege bis zum Leiter einer katholischen Altenpflegeschule in Oldenburg hochgearbeitet. Nach deren Schließung widmete er sich der Begutachtung von Altenpflegeheimen bei der Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter und bei Behinderung (BIVA) e.V.
Bei dieser ehrenamtlichen Tätigkeit, die den Heimen bei positiver Begutachtung den werbewirksam „Grünen Haken“ verschafft, ist ihm etwas aufgefallen - die Heime können und müssen stärker selbst aktiv werden bei ihrem größten Problem: die Personalnot. Gutes Pflegepersonal zu finden, sei extrem schwierig, weil die Kräfte am Markt rar und viele nach ein paar Jahren fix und fertig dem Beruf den Rücken kehren. Hier die richtigen zu finden und zudem den Pflegeberuf wieder stärker mit sozialen Elementen zu bestücken, sei eine große Herausforderung, die sich aber durchaus lohne, dass man sie anpacke. Kohn findet, die Heim- oder Hausleitungen tun hier bislang zu wenig.
Zur Motivation nennt Kohn acht Punkte, die die Heime selbst gut abarbeiten können, um sich als attraktive Arbeitgeber bei jungen Menschen ins Gespräch zu bringen. Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen Berufsberatung und Pflegepraktika.
Standardisierte Praktika
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Die Heim- und Pflegedienstleitungen entwickeln gemeinsam eine standardisierte Struktur für Praktika. Die Praktikanten sollen während ihres Praktikums einen tatsächlichen Einblick in den Pflegeberuf bekommen und nicht nur blaue Müllbeutel entsorgen.
Nach dieser standardisierten Struktur erhalten die Praktikanten adäquate Betreuung und Orientierung. Er soll während seines mehrwöchigen Praktikums, zum Beispiel in den Schulferien, nicht nur „mitlaufen“, sondern sich auch mal eine halbe Stunde mit einem Heimbewohner beschäftigen dürfen, vielleicht ein kleines Gesellschaftsspiel machen, etwas vorlesen oder einfach nur mal zuhören, wie es dem Betreffenden geht.
In Schulen werben
Die Heime stellen ihre Berufsbilder in Schulen vor und machen dort Praktikumsangebote. Sie machen dort verstärkt Werbung für ihren Beruf, auch an Gymnasien. Viele Schüler schreckt heute oft schon allein das negative Image ab, das die Medien vermitteln: Sie hören und lesen von Streiks, ausgebrannten, schlecht bezahlten, frustrierten Pflegekräften und einer unerträglichen Situation in der Pflege. Stattdessen sollten stärker die gesellschaftliche Bedeutung dieses Berufs und die menschliche und soziale Komponente in den Fokus rücken. Viele Schülerinnen und Schüler – unabhängig von der Schulbildung - besitzen schließlich auch heute noch ein „Kümmer-Gen“, das sie gern beruflich ausleben möchten. Erfahrene Pflegekräfte, die ihren Beruf überzeugt und gern ausüben, sind für die Schulveranstaltungen die besten Botschafter.
Ans Marketing denken
Die Träger der Pflegeeinrichtungen werden in die Praktikantenwerbung eingebunden. Deren Pressestellen werden verstärkt aktiv und entwerfen Werbematerial für die Praktika.
Soziale Komponente wiederbeleben
Die soziale Komponente des Pflegeberufs sollte neben der pflegerischen und medizinischen wieder stärker betont werden. Viele junge Leute, die aus sozialen Ambitionen den Pflegeberuf ergreifen, sind später enttäuscht, wenn sie feststellen, dass für echtes soziales Engagement in der Pflege kaum Zeit und Raum bleibt beziehungsweise diese Komponente von anderen Fachkräften, zum Beispiel Ergotherapeuten, ausgefüllt wird. Während Ergotherapeuten sich noch wirklich mit den Pflegebedürftigen beschäftigen dürfen, sind die Pflegekräfte meist nur noch für unerfreuliche „Restarbeiten“ da. Der soziale Part sollte wieder stärker integriert und in das Berufsbild der Pflegekraft zurückgeholt werden. Das macht den Beruf erfüllender und alle Beteiligten zufriedener. Pflegebedürftige alte Menschen wünschen sich verlässliche Bezugspersonen und kein ständig wechselndes, nach einzelnen Tätigkeitsbereichen sortiertes Personal.
Leidenschaft wecken
Wichtig ist, die richtigen Pflegekräfte für die Altenpflege zu rekrutieren und nicht solche, die aufgrund ihrer Schulzeugnisse und sonstigen Lebensvoraussetzungen keine andere berufliche Chance haben. Letztere brennen schneller aus und ziehen das Image des Berufs nach unten. Wer dagegen einen realistischen Einblick während eines fundierten Praktikums erhält und sich dann wirklich für den Beruf entscheidet, wird ihn auch mit Leidenschaft und Hingabe ausführen und beruflichen Stresssituationen besser gewachsen sein.
Auf Politiker zugehen
Die lokale und – falls möglich - überregionale Politik sind unbedingt einzubeziehen. Auch ein Gesundheitsminister könnte mal zu einem Praktikum eingeladen werden. Während sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen regelmäßig in Kasernen und bei der Truppe zeigt, sucht man Hermann Gröhe auf Fotos in Pflegeheimen meistens vergeblich. Politiker müssen einen stärkeren Bezug zum Geschehen vor Ort bekommen. Bilder in der Presse von Politikern in Pflegeheimen werten diesen Arbeitsplatz automatisch auf und schenken mehr – positive - Aufmerksamkeit.
Professionelle Evaluation
Abschließend wird das Praktikum evaluiert und dessen Inhalte werden gegebenenfalls angepasst.
Autorin: Birgitta vom Lehn
Illustration: Götz Wiedenroth