Es gab eine Zeit, da beugte man in Deutschland Druckgeschwüre mit Eiswürfeln und Fönen vor. Ein schwerer Fehler. So etwas passiert schon lange nicht mehr. Inzwischen gibt es wissenschaftliche Studien, die zeigen, wie sich ein Dekubitus am besten vermeiden lässt. Durch Mobilisation.
Wissenschaftlicher Leiter Kottner: Bewegen, bewegen, bewegen!
Indem der Patient sich selbst bewegt oder – sofern dies nicht möglich ist – in notwendigen Intervallen von Pflegefachpersonen bewegt oder gelagert wird. Reicht dies nicht aus, kommen druckentlastende oder druckverteilende Hilfsmittel hinzu. Im Expertenstandard Dekubitusprophylaxe – er war der erste Expertenstandard des „Deutschen Netzwerkes für Qualitätsentwicklung in der Pflege“ überhaupt – ist dies erstmals im Jahr 2000 detailliert beschrieben worden.
„Manchmal wird sich einfach nicht richtig gekümmert""
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„Seither hat sich am Wissensbestand nicht wesentlich geändert“, sagt Dr. Jan Kottner, Wissenschaftlicher Leiter der Expertenarbeitsgruppe „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“. Trotzdem wurde der Expertenstandard jetzt zum zweiten Mal aktualisiert und kürzlich in Berlin vorgestellt. Warum? „Das, was wir wissen, wird nicht kontinuierlich und nicht fachgerecht gemacht. Es wird sich manchmal einfach nicht richtig gekümmert“, so der Pflegewissenschaftler.
Wenn das Risiko nicht gesehen wird ...
Da ist das immobile Kind oder die immobile Frau nach einer Sectio, die nicht der klassischen Risikogruppe entsprechen; der Patient der insgesamt eine perfekte Prophylaxe erfährt, aber eines Morgens nach dem Frühstück zwei Stunden auf einem Holzstuhl sitzen gelassen wird; oder der Bewohner, den die Nachtwache nicht aus dem Schlaf reißen möchte, um ihn zu lagern. Auch kommt es vor, dass die richtigen Hilfsmittel nicht zur Verfügung stehen.
Fehler im System und in Organisation
Wenn Patienten heute einen Dekubitus erleiden – das machen die Beispiele deutlich –, stecken meistens Fehler im System und der Organisation dahinter. Dies ist auch der Grund, weshalb im aktualisierten Standard die Verantwortung der Einrichtung mehr als zuvor betont wird. So heißt es unter anderem: „Die Einrichtung stellt sicher, dass dem Risiko des Patienten/Bewohners entsprechende Wechseldruck- und Weichlagerungssysteme unverzüglich zugänglich sind.“ Und: „Die Einrichtung verfügt über eine Verfahrensregelung zur Dekubitusprophylaxe.“
Wichtig: Screening und Assessment
„Aber auch die Anforderungen an die Pflegefachpersonen sind jetzt noch klarer formuliert“, sagt Kottner. Gleich bei Aufnahme kontrolliert sie systematisch, ob ein Dekubitusrisiko ausgeschlossen werden kann. Kann ein Risiko nicht sicher ausgeschlossen werden, ist ein vertiefendes Assessment angezeigt. Ändert sich der Zustand des Patienten, bedeutet dies für sie, Screening und Assessment zu wiederholen. Ihre Voraussicht ist gefragt. Denn allzu oft, so Kottner, entsteht ein Dekubitus, weil Pflegekräfte erst zu handeln beginnen, wenn Hautveränderungen bereits sichtbar sind. „Dann aber ist das darunterliegende Gewebe oft schon stark geschädigt.“
Beratungskompentenz der Pflege stark gefragt
Nicht zuletzt zeigt ich auch an diesem Expertenstandard, dass Beratungskompetenz für Pflegefachpersonen immer wichtiger wird: Betont wird die gemeinsame Planung zusammen mit dem Patienten und gegebenenfalls mit seinen Angehörigen. Es gilt eine Form der Prophylaxe zu finden, die der Patienten akzeptiert und an deren Umsetzung er im günstigen Fall ein eigenes Interesse entwickelt.
Kategorien statt Grade
Dann gibt es noch eine eher formale Änderung im überarbeiteten Expertenstandard Dekubitus: Die Klassifikationen des Dekubitus wurden um zwei Punkte erweitert. Auch ist jetzt in Anlehnung an die Internationale Dekubitusleitlinie nicht mehr von „Graden“, sondern von „Kategorien“ die Rede.
Autorin: Kirsten Gaede